Tanzen Sie sich glücklich
Sie möchten gesund älter werden? Dann ist Tanzen das beste Rezept! Es trainiert nicht nur körperliche Fitness, sondern unterstützt auch die Gehirngesundheit und das mentale Wohlbefinden.
UNSERE EXPERTIN UND EXPERTEN
Univ.-Prof. Dr. Richard Crevenna, Vorstand der Universitätsklinik für Physikalische Medizin, Rehabilitation und Arbeitsmedizin, MedUni Wien.
Martina Junos, Physiotherapeutin, ÖGK-Gesundheitszentrum Eisenstadt, Burgenland.
Univ.-Prof. Dr. Thomas Berger, Vorstand der Universitätsklinik für Neurologie, MedUni Wien.
Stellen Sie sich vor, es gäbe etwas, das unserem Körper guttut, die Fitness trainiert, vor zahlreichen Erkrankungen schützt, unser Gehirn gesund hält, das Wohlbefinden steigert, Verbundenheit mit anderen herstellt und dabei auch noch Freude macht …
Die gute Nachricht: So etwas gibt es – und: Jeder Mensch kann diese Tätigkeit ausüben. „Tanzen ist für alle geeignet“, fasst Martina Junos zusammen. „Egal, ob jung oder alt, klein oder groß, fit oder auf dem Weg dorthin – alle können tanzen.“ Die Physiotherapeutin weiß, wovon sie spricht – schließlich betreut sie im ÖGK-Gesundheitszentrum Eisenstadt Patientinnen und Patienten unterschiedlicher Altersgruppen und aus unterschiedlichen Behandlungsgründen. „Menschen mit orthopädischen oder neurologischen Erkrankungen, Personen, die nach Operationen wieder fit werden möchten, Kinder, Jugendliche und ältere Patientinnen und Patienten: Musik und Tanz sind für alle ein großer Motivationsfaktor“, so Junos. Selbst eine Patientin mit einer Nervenerkrankung, für die Bewegungen nur noch im geringen Ausmaß möglich waren, bewegte im Rhythmus der Musik Arme und Beine. „Regelmäßige Bewegung mit einer gewissen Intensität ist wichtig für den Erhalt bzw. die Wiederherstellung unserer Gesundheit. Ich rate dazu, etwas zu finden, das Freude bereitet und das man dadurch regelmäßig ausübt. Dabei empfehle ich häufig Tanzen. Schließlich gibt es ein umfangreiches Angebot, angefangen bei Zumba, wo Aerobic mit lateinamerikanischen Tänzen kombiniert wird, bis zu Line Dance – eine Tanzform, bei der Choreografien in Linien neben- und hintereinander in der Gruppe getanzt werden. Wichtig ist nur: Nicht so sehr auf die Perfektion achten, sondern einfach anfangen!“
Gelebte Inklusion. Jede und jeder von uns kann tanzen! Und sollte es auch tun. Denn Tanzen verbindet Menschen und fördert soziale Interaktion.
MIT TANZEN GESUND ÄLTER WERDEN
Am besten sollte man schon in jungen Jahren beginnen. „Wer früh beginnt und regelmäßig tanzt, legt eine gute Basis für gesundes Altern. Denn Tanzen hat – je nach Art des Tanzes – positive Effekte auf alle motorischen Grundeigenschaften“, bestätigt Univ.-Prof. Dr. Richard Crevenna, Vorstand der Universitätsklinik für Physikalische Medizin, Rehabilitation und Arbeitsmedizin der MedUni Wien. „Tänzerinnen und Tänzer trainieren Ausdauer, Kraft, Koordination, Flexibilität und Schnelligkeit. Zusätzlich profitieren davon sowohl das Herz-Kreislauf- und Atmungssystem als auch die Muskulatur.“ Mit Tanzen beuge man zahlreichen Zivilisationskrankheiten wie Bluthochdruck, Übergewicht, Herzinfarkt oder Schlaganfall vor. Es sei aber auch eine geeignete Maßnahme, um das Risiko für Diabetes Typ-2, bekannt als Alterszucker, zu reduzieren, wie Crevenna ausführt. „Trainieren wir die Muskulatur, führt das nicht nur zu mehr Kraft, sondern auch zur besseren Umwandlung von Zucker – die Muskulatur ist nämlich auch ein Stoffwechselorgan.“ Zudem stärke man beim Tanzen die Knochen – und das gleich auf zweifache Weise, wie der Experte erläutert: „Einerseits führt Tanzen zur Verminderung des altersbedingten Knochenmasseverlustes. Andererseits fungiert der Erhalt bzw. die Verbesserung der motorischen Grundeigenschaften, die wir dadurch erlangen, als Sturzprophylaxe.“
„Tanzen ist für alle geeignet - egal, ob jung oder älter, fit oder auf dem Weg dorthin.“
TAKTGEFÜHL VON ANFANG AN
Von Kindesbeinen an. Tanzen macht nicht nur Spaß, sondern steigert, wie wissenschaftliche Studien belegen, das Selbstbewusstsein und den Selbstwert.
Darum gilt: Je früher wir beginnen, desto besser sind wir auch fürs Alter gerüstet. „Und eigentlich tanzen wir ohnedies alle im Kindesalter“, bestätigt Junos. „Jedes Kind bewegt sich gern im Takt der Musik, und das sollten wir auf jeden Fall fördern.“ Das Rhythmusgefühl ist uns nämlich buchstäblich in die Wiege gelegt, wie eine Studie des ungarischen Psychologen István Winkler belegt. Sein Forschungsteam spielte schlafenden Neugeborenen über Kopfhörer typische Rockmusik-Schlagzeugtakte vor und maß dabei die Hirnströme der Babys. Wie bei Erwachsenen stutzten die wenige Tage alten Säuglinge, sobald ein Taktschlag unerwartet ausfiel, das ergab die Messung mittels Elektroenzephalografie (EEG). Offensichtlich stuft unser Gehirn schon sehr früh musikalische Rhythmen als bedeutsam ein, und genau das zeigt sich auch im Kleinkindesalter, wenn Musik starke Bewegungsimpulse auslöst. „Wichtig wäre, diese Lust am Tanzen zu bewahren und regelmäßig in den Alltag einzubauen“, so Crevenna. Erfreulich: Rund 68 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher nehmen Crevennas Rat laut einer Umfrage des SINUS-Instituts durchaus ernst. Sie tanzen gerne – zumindest gelegentlich. Die Hälfte der Befragten gab dabei an, klassische Standardtänze wie Walzer aufs Parkett zu legen, 44 Prozent tanzen auch gerne allein, etwa in der Disco. Sie alle tragen damit nicht nur zur physischen, sondern auch zur mentalen Gesundheit bei. Crevenna: „Denn Tanzen hat auch positive Auswirkungen auf die Psyche.“ Zum einen könne man Körper und Psyche ohnehin nicht trennen – ein gesunder Körper beeinflusst auch unsere Psyche positiv und umgekehrt. „Zum anderen hat Tanzen aber auch zahlreiche andere positive psychische Auswirkungen. Es bereitet uns Freude, führt zu sozialer Interaktion, hilft dabei, Stress abzubauen, und stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl.“ Das unterstreicht auch Tanzprofi Conny Kreuter, die heuer bereits zum fünften Mal bei der ORF-TV-Show „Dancing Stars“ mit einem prominenten Schützling das Tanzparkett betreten wird. „Beim Tanzen geht es vor allem darum, sich fallen zu lassen, den Kopf auszuschalten und Emotionen loszulassen. Wenn das gelingt, ist Tanzen therapeutisch!“ (Weitere Tipps im Interview - bitte hier klicken)
Tanzen für die Seele
Wie Tanzen die mentale Gesundheit fördert
Stress und Emotionen abbauen. Tanzen unterstützt unsere mentale Gesundheit – vor allem dann, wenn es uns Spaß macht. Studien belegen, dass beim Hobbytanzen das Stresshormon Kortisol abgebaut wird, während es bei Tanzwettbewerben sogar ansteigen kann. Wenn wir uns zur Musik bewegen und uns dabei fallen lassen, können wir auch negative Emotionen abbauen.
Ein Gefühl der Verbundenheit. „Es gibt keine Bevölkerungsgruppe der Welt, die nicht tanzt“, so Neurologe Thomas Berger. Tanzen konnte sich vermutlich in unserer Spezies etablieren, weil es uns emotional und körperlich verbindet. Dieses Gefühl der Verbundenheit führt zu mehr Wohlbefinden und Lebensfreude. Zudem fördert Tanzen soziale Interaktion.
Ein Mittel gegen Einsamkeit. Dauerhaftes Alleinsein ist genauso schädlich wie Rauchen oder Übergewicht, das ist wissenschaftlich nachgewiesen. Tanzen ist ein probates Mittel dagegen – und zahlreiche Initiativen wie „Tanzen ab der Lebensmitte“ des „Bundesverbandes Seniorentanz Österreich“ bieten Menschen Gelegenheit, dem Alleinsein davonzutanzen.
Mehr Selbstbewusstsein. Wie eine Studie der Sportpsychologin Mirjam Wolf von den Tirol Kliniken belegt, führt regelmäßiges Tanzen sowohl bei Jugendlichen als auch bei Erwachsenen zu einer Stärkung des Selbstwertgefühls.
MIT TANZEN DAS GEHIRN TRAINIEREN
Komplexe Leistung. Tanzen aktiviert jedes Gehirnareal und schützt vor Erkrankungen wie Demenz.
Evolutionsbiologinnen und -biologen vermuten, dass sich das Tanzen in unserer Spezies etablieren konnte, weil es Menschen unabhängig von ihrem Entwicklungsstand und ihrer Sprachkompetenz emotional und physisch miteinander verbindet. Möglicherweise war es ursprünglich auch eine frühe Verständigungsform, eine Art Sprache. „Es gibt keine Bevölkerungsgruppe, die nicht tanzt“, unterstreicht Univ.-Prof. Dr. Thomas Berger, Vorstand der Universitätsklinik für Neurologie der MedUni Wien. Der Neurologe sieht im Tanzen auch die perfekte Vorsorge für die Gesundheit unseres Gehirns und zur Prävention von altersbedingten kognitiven und neurodegenerativen Erkrankungen wie beispielsweise Demenz. „Wir wollen alle gesund alt werden. Dabei dürfen wir aber auf unser Gehirn nicht vergessen. Denn was hilft es, wenn wir uns fit wie ein Turnschuh fühlen, aber nicht mehr wissen, was ein Turnschuh ist? Das kann passieren, wenn wir unsere Hirnleistung nicht permanent trainieren. Dann verkümmert diese, und wir können dem Alterungsprozess nichts entgegenhalten.“ Wer regelmäßig tanzt und neue Tanzarten und Schrittfolgen lernt, baut seine kognitiven Reserven hingegen aus und beansprucht dabei viele verschiedene Areale des Gehirns. „Tanzen ist eine der komplexesten Gehirnleistungen, die wir vollbringen können“, bestätigt Berger. Schließlich gehe es darum, Sinneswahrnehmungen einzusetzen, Tanzschritte zu planen und sich diese zu merken, die richtigen Bewegungen zum Einsatz zu bringen, sich dabei im Raum zu orientieren, Gleichgewicht und Schnelligkeit auszuüben, all das einem Rhythmus anzupassen und vieles mehr. (Infos auf dieser Seite erläutert detailliert, wie unser Gehirn diese Meisterleistung vollbringt.) Das komplexe Zusammenspiel regt die sogenannte Neuroplastizität an. Damit ist die Fähigkeit des Gehirns gemeint, sich selbst zu regenerieren. „Am Ende kommt natürlich auch eine emotionale Komponente hinzu“, so Berger. Die Gefühle, die beim Tanzen entstehen – etwa, wenn wir mit unseren Liebsten tanzen, wenn wir schöne Musik hören oder die Verbundenheit zueinander wahrnehmen –, werden im limbischen System verarbeitet. Dieses emotionale Schaltzentrum zählt zu den ältesten Bereichen unseres Gehirns und steuert neben den Emotionen auch das Langzeitgedächtnis und hat großen Einfluss auf das menschliche Verhalten.
„Tanzen ist perfekt geeignet, um unser Gehirn zu trainieren und gesund zu halten.“
Tanzen fürs Gehirn
Wer tanzt, trainiert die Gehirnleistung
Das Gehirn trainieren. „Tanzen ist perfekt geeignet, um unser Gehirn zu trainieren“, betont Neurologe Univ.-Prof. Dr. Thomas Berger. Und Training ist auch notwendig, um unsere Gehirnleistung zu erhalten. Denn: Lernen wir Neues, bauen wir unsere kognitive Reserve – unsere Gehirnzellen – aus und beugen Erkrankungen wie Demenz vor.
Meisterleistung. Warum Tanzen dem Gehirn so guttut? „Weil kaum eine andere Aktivität das gesamte neuronale Netzwerk so fordert und jedes Gehirnareal aktiviert“, so Berger. Beim Tanzen arbeiten motorische, sensorische und emotionale Bereiche des Gehirns zusammen, was die Verbindungen zwischen ihnen stärkt.
Prävention. Körperliche Betätigung im Allgemeinen und Tanzen im Besonderen tragen wesentlich dazu bei, auch anderen altersbedingten neurologische Erkrankungen wie Schlaganfällen vorzubeugen. Der Appell des Neurologen: „Tun Sie schon jetzt etwas für Ihre Gehirngesundheit, nicht erst dann, wenn sich Symptome zeigen.“
Fit bleiben. Wer tanzt, trainiert den gesamten Körper und beugt zahlreichen Volkskrankheiten vor.
ERHÖHTES WOHLBEFINDEN
Wenn wir tanzen, fühlen wir uns wohl. Das bestätigt auch eine Studie der Tiroler Sportpsychologin Mirjam Wolf aus dem Jahr 2010, bei der mehr als 90 Prozent der Teilnehmenden angaben, dass Tanzen ihnen bei der Bewältigung der vielfältigen Belastungen des Tages hilft und zur Entspannung beiträgt. Sowohl bei Jugendlichen als auch bei Erwachsenen konnte durch regelmäßiges Tanzen zudem eine Stärkung des Selbstwertgefühls und Selbstvertrauens nachgewiesen werden. Zur Lebensqualität und zum Wohlbefinden trage Tanzen auch bei jenen Personen bei, die von Erkrankungen betroffen seien, so Crevenna und Berger. Das belegen Erfahrungen mit Krebspatientinnen und -patienten oder Betroffenen von Parkinson und Multipler Sklerose. „Wichtig ist, Ausmaß und Training dem individuellen Gesundheitszustand anzupassen und vorab eine ärztliche Freigabe einzuholen“, so Crevenna.
„Wer regelmäßig tanzt, trainiert Ausdauer, Kraft, Koordination, Flexibilität und Schnelligkeit.“
EINFACH LOSLEGEN
Zahlreiche Tanzaktivitäten in ganz Österreich helfen jenen, die bis dato noch nicht tanzen, loszulegen. Allein beim Verband der Tanzlehrer Österreichs (VTÖ) sind landesweit mehr als 200 Tanzschulen gelistet. Daneben bieten unzählige Vereine und Verbände die Möglichkeit, gemeinsam das Tanzen zu erlernen und zu erleben. Einige dieser Initiativen stellen wir Ihnen HIER vor – und damit auch die Motive jener Menschen, die dort mit Freude tanzen. Sie möchten die ersten Tanzbewegungen lieber in den eigenen vier Wänden ausüben? Dann nutzen Sie Online-Videos von Expertinnen und Experten wie jene der ÖGK-Initiative „Bewusst leben +“ (siehe dazu auch Infos hier).
Aber auch, wenn Sie zunächst lieber auf andere Art und Weise in Bewegung kommen möchten, unterstützt die ÖGK Sie mit zahlreichen Tipps, Informationsmaterialien und Veranstaltungen. Einige haben wir in der Spalte rechts für Sie zusammengefasst.
Tanzen für den Körper
Beste Basis für ein gesundes Leben
Motorik profitiert. „Tanzen hat positive Effekte auf alle motorischen Grundeigenschaften“, so Univ.-Prof. Dr. Richard Crevenna. Dabei werden sowohl Kraft, Ausdauer, Koordination, Flexibilität als auch Schnelligkeit trainiert.
Prävention. Auch die Herz-Kreislauf-Gesundheit profitiert vom Tanzen, gleichzeitig wird Übergewicht abgebaut bzw. präventiv vermieden. Dadurch sinkt das Risiko für eine ganze Palette von Erkrankungen – von Bluthochdruck über Diabetes und Herzinfarkt bis hin zu Adipositas.
Für Knochen & Gelenke.Tanzen hält unsere Gelenke flexibel und wirkt dem altersbedingten Knochenmasseverlust entgegen.
In Balance. Gleichgewicht und Koordination werden gefördert. Deshalb eignet sich Tanzen auch gut als Sturzprävention.
Lebensqualität. Tanzen kann auch bei bestehenden Erkrankungen wie Krebs, Multipler Sklerose, Parkinson oder chronischen Schmerzen die Lebensqualität steigern. Wichtig: Maß und Ziel des Trainings an die individuelle Situation anpassen!
Tanzen macht glücklich.
Miteinander zu tanzen trägt zum Wohlbefinden bei und steigert die Lebensqualität.
Text Claudia Drees
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