Was macht glücklich?
AUF SPURENSUCHE. Welche Faktoren tragen zu unserem Glück und unserer Zufriedenheit bei? Wie können wir unser mentales Wohlbefinden unterstützen? MEINE GESUNDHEIT mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und Tipps für Ihr persönliches Glück.
UNSERE EXPERTINNEN
Auf Finnisch gibt es drei Begriffe für Glück: ein Wort für das aktuelle Glücksgefühl, eines für einen länger anhaltenden Glückszustand und eines für langfristige Zufriedenheit. So viel Glücksgefühle im hohen Norden? Und tatsächlich: Seit Jahren entscheidet Finnland auch das Rennen um das glücklichste Volk für sich. Das belegt der „World Happiness Report“, der Menschen in 150 Ländern darum bittet, für ihre Lebenssituation Noten von 1 bis 10 zu vergeben. Während Österreich aktuell auf Rang 14 des Rankings liegt, holte Finnland zum siebten Mal in Folge den Sieg – traditionell gefolgt von Dänemark, Schweden und Norwegen. Doch warum ist die Lebenszufriedenheit im Norden so hoch? Das beantwortet das Forscherteam anhand folgender Schlüsselfaktoren: ein gutes soziales Netz, ein Gesundheits- und Bildungssystem, das allen offensteht und alle gleich behandelt, ein intaktes Gemeinwesen mit geringer Kriminalität und starker sozialer Zusammenhalt in der Gesellschaft.
Starke Beziehungen
Macht man sich auf die Suche nach den Zutaten, die ein glückliches Leben ausmachen, spielen diese Lebensbedingungen eine Rolle. „Sind Grundbedürfnisse wie Sicherheit und Stabilität gedeckt, sind es aber vor allem starke Beziehungen, die unser mentales Wohlbefinden stärken“, sagt Psychologin und ÖGK-Expertin Mag. Iris Lackner. Das belegt auch die Langzeitstudie der Harvard-Universität. Seit 1938 macht sie sich zum Ziel, die Faktoren des Wohlbefindens zu ergründen. Bereits über drei Generationen begleitet das Forschungsteam dafür Teilnehmende aus allen sozialen Schichten und mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund. Und entdeckte einen gemeinsamen Nenner für Glück: soziale Beziehungen. „Menschen sind seit jeher soziale Wesen und brauchen Gemeinschaft – egal, ob in einer Partnerschaft, der Familie, im Freundeskreis oder am Arbeitsplatz“, bestätigt Lackner. „Wenn wir in ein soziales Netz eingebettet sind, fällt es uns leichter, Belastungen und Krisen gemeinsam zu überstehen.“
Glücksfaktor Einstellung
„Subjektives Wohlbefinden setzt sich aus positiven und negativen Gefühlen sowie der individuellen Lebenszufriedenheit zusammen“, erläutert Silvia Exenberger. „Um mich glücklich zu fühlen, benötige ich viele positive Emotionen und dass ich meine Lebensdimensionen wie Arbeit, soziales Netzwerk oder den körperlichen Gesundheitszustand positiv bewerte.“
Auch wenn optimistische Menschen einen Vorteil haben – der positive Blickwinkel lässt sich trainieren! „Zum einen helfen Achtsamkeitsübungen, die dabei unterstützen, im Moment zu leben. Zum anderen lässt sich unser Gehirn so trainieren, dass es den Fokus automatisch auf das Gute richtet“, erläutert die Psychologin. Etwa mit einem Tagebuch, in dem man einträgt, wofür man heute dankbar war.
Dem Leben Sinn geben
Alle Menschen, die in dieser Ausgabe ab Seite 18 schildern, was sie glücklich macht, beschreiben einen weiteren Faktor für Lebenszufriedenheit: einen besonderen Sinn in ihrem Leben. Für Max ist das sein Ehrenamt. Peter findet im Handwerk Erfüllung. Eva geben ihre Hunde Sinn im Leben. „Sein Leben als sinnvoll zu empfinden, es frei gestalten zu können – all das sind wichtige Faktoren für unser mentales Wohlbefinden. In der Positiven Psychologie werden sie unter den Lebensbedingungen zusammengefasst, die Menschen benötigen, um aufzublühen“, beschreibt Dr. Silvia Exenberger vom Institut für Positive Psychologie und Resilienz. Diese psychologische Richtung stellt den Erhalt der psychischen Gesundheit in den Mittelpunkt.
An Krisen wachsen Können
Dass das auch dann möglich ist, wenn das eigene Leben Krisen und Schicksalsschläge bereithält, zeigt das Vermächtnis des österreichischen Psychiaters Viktor Frankl. Er überlebte den Holocaust in mehreren Konzentrationslagern und machte dabei die Beobachtung, dass jene Menschen schwierigste Situationen überstanden, die auch dann noch Sinn und Lebensmut empfanden. In der von ihm begründeten Logotherapie ist die WIDEG-Methode zentral: Die Abkürzung steht für: „Wofür ist das eine Gelegenheit?“ „Krisen belasten uns natürlich mental, aber wir können auch an ihnen wachsen, etwas daraus lernen und gestärkt daraus hervorgehen“, erläutert Exenberger. Besonders gut gelinge das Menschen, die daran glauben, schwierige Situationen selbst bewältigen zu können. Diese Widerstandskraft, die auch Resilienz genannt wird, trägt zum mentalen Wohlbefinden bei – und: Sie lässt sich üben. Wie, lesen hier!
Positiv aufs Leben schauen
„Unser subjektives Wohlbefinden hängt von zwei weiteren Faktoren ab: ob unser Innerstes von eher positiven oder negativen Gedanken und Gefühlen geprägt ist und ob wir unser Leben positiv oder negativ bewerten“, erläutert Exenberger. Wer optimistisch und dankbar auf sein Leben blickt, lebt also glücklicher und zufriedener. Die positive Nachricht: Das Gute zu erkennen kann man üben! „Die bekannteste Methode ist, täglich drei positive Dinge, die passiert sind, zu notieren“, rät Iris Lackner. Regelmäßig angewendet wird so das Gehirn trainiert, seinen Fokus auf das Gute zu richten.
Wege, seine mentale Gesundheit zu fördern und zu erhalten, gibt es viele – und man muss es nicht allein schaffen. „Die ÖGK unterstützt gerne mit hilfreichen Tipps, Vorträgen, Videos, Broschüren und einem vielseitigen Online-Angebot“, betont die Expertin. Ab Seite 11 finden Sie die wichtigsten Angebote für alle Lebensbereiche. „Wichtig ist zudem, ganzheitlich zu denken“, so Silvia Exenberger: „Für eine gesunde Psyche ist der Erhalt der körperlichen Gesundheit unerlässlich – und umgekehrt!“ Wie Glück auch körperlich beflügelt, lesen hier.
TEXT Claudia Drees
Fotos: GettyImages / Unsplash, Meg Agahamyan / Unsplash