Die Kraft des Tanzes

 

Prof. Thomas Schäfer-Elmayer
Leiter der Tanzschule Elmayer, Experte für die Themen Etikette und gutes Benehmen, langjähriger Juror bei der ORF-Show „Dancing Stars“.

Mag. Kerstin Danzer-Fromm
Sportpsychologin beim Österreichischen Tanzsportverband und mit eigener Praxis, ehemalige Turniertänzerin, Tanzsporttrainerin, Choreografin.

 
 

Gespräch. Sportpsychologin Kerstin Danzer-Fromm traf Prof. Thomas Schäfer-Elmayer in dessen Tanzschule. Ein Gespräch über das Tanzen in jedem Alter, die Magie der gemeinsamen Bewegung und den Mut zu Fehlern.

Eltern und Großeltern mit Kindern und jungen Leute gemeinsam vor dem Fernseher: Es gibt nicht viele TV-Sendungen, die Generationen verbinden wie die ORF-Show „Dancing Stars“ (derzeit läuft die 16. Staffel). MEINE GESUNDHEIT sprach mit Tanzschulbesitzer Prof. Thomas Elmayer und Sportpsychologin Mag. Kerstin Danzer-Fromm. Sie erklären die Faszination Tanz und warum Tanzen in jedem Alter Sinn und Spaß macht.

Wieso berührt uns Tanzen schon beim Zuschauen – und überhaupt?

Kerstin Danzer-Fromm: Dafür sind zunächst unsere Bewegungs- und Spiegelneuronen verantwortlich, die automatisch feuern, wenn wir Bewegung sehen. Und zwar noch intensiver, wenn wir selbst viel Bewegungserfahrung haben, wenn beispielsweise eine Balletttänzerin Ballett sieht. Aktiv sind die Spiegelneuronen aber auch bei Bewegungsmuffeln, weil der Mensch nun mal ein Bewegungslebewesen ist. Zudem wirkt Musik ungefiltert auf das limbische System, das Zentrum für Wahrnehmung, Emotionen, Gefühle, Antrieb. In Kombination wird eine Erfahrungsempfindung ausgelöst: Wenn wir beim Tanzen zusehen, haben wir alle ein ähnliches Gefühl, aber jede und jeder verbindet eine andere Emotion und Bewegungserfahrung damit.

Thomas Schäfer-Elmayer: Ich bin ja ein Quereinsteiger; ich war neben meinem Studium Assistent in der Tanzschule, dann war ich 20 Jahre in der Wirtschaft und viel auf Geschäftsreisen. Aber wenn die Hotelpools abends zuhatten, bin ich meistens in die Disco, um in die Musik einzutauchen, für dieses besondere Gefühl. – Was wiederum beim Paartanz passiert, ist hochinteressant: Ich habe schon mit 17 in Vorarlberg in der Tanzschule festgestellt: Bei manchen Paaren funktioniert’s, bei manchen nicht. Das ist eine Erklärung, warum aus unserer Tanzschule so viele Ehepaare hervorgehen. Die lernen sich mit 16 kennen und bleiben zusammen, sie finden unter vielen Jugendlichen die, die auf ihrer Wellenlänge sind.

 

Kommentar

Gesunde Tradition, die Freude vermittelt

Das Tanzen ist tief in der österreichischen Tradition verwurzelt und verbindet Kultur mit Gesundheit. Es fördert Bewegung, Koordination und soziale Interaktion. Besonders die Wiener Ballkultur hält diese Tradition lebendig und stärkt nicht nur das Gemeinschaftsgefühl, sondern trägt auch zur mentalen und körperlichen Gesundheit bei.

Mag. Peter McDonald ist Obmann der ÖGK.

 

Weil man einander unmittelbar begegnet?

Schäfer-Elmayer: Die jungen Leute haben zunächst eine große Abwehr in sich, weil ja die natürliche Distanz durchbrochen wird. Beim Paartanz kommt man sich näher, so gelingt aber auch viel mehr Zusammenspiel. Die Erwachsenentanzkurse habe ich bei uns eingeführt und mich jedes Mal darauf gefreut zu sehen, wie glücklich Ehepaare miteinander beim Tanzen waren. Manchmal gibt es auch Konflikte, das ist zwar heikel, aber von einem guten Tanzlehrer zu entschärfen.

Danzer-Fromm: Der Körperkontakt und die Magie der gemeinsamen Bewegung lösen sehr viel in uns aus: Endorphine, Dopamin – und wenn es eine angenehme Berührung ist, auch das Bindungshormon Oxytocin. Wenn Paare nicht nur gut miteinander tanzen, sondern auch wunderbar zusammenpassen, spüren wir das auch beim Zusehen. Das ist eine besondere Qualität der Performance. Mit Turnierpaaren arbeite ich als Sportpsychologin unter anderem auch diese Qualität anhand von inneren Bildern aus.

Was passiert mit unserer Körperwahrnehmung, wenn wir tanzen?

Danzer-Fromm: Das Tanzen ist eine der wenigen Sportarten, die fünf verschiedene Arten von Fähigkeiten beanspruchen: Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit, Schnelligkeit und Koordination. Die meisten Sportarten bedienen zwei, drei Faktoren. Egal, in welchem Alter man mit dem Tanzen beginnt, werden alle fünf Bereiche trainiert. Es profitiert beispielsweise das Herz-Kreislauf-System. Das Koordinationstraining dient wiederum der Demenzprävention. Zudem zeigen Untersuchungen, dass Tanzen zur Symptomverlangsamung bei Parkinson besonders wirksam ist. Beim Tanzen werden Muskeln trainiert, Knorpel geschmiert. Es können sich Gelenksprobleme verbessern. Wenn das Tanzen Spaß macht, beginnen plötzlich 65-Jährige mit Rumpftraining, um ihre Stabilität zu verbessern. Bei Jugendlichen fällt heute die schlechte Körperhaltung auf. Diese wirkt sich aber sofort auf die Psyche aus: Der Selbstwert und die Ausstrahlung werden gedrückt. Sobald ich mich aufrichte, findet Veränderung statt. Jugendliche können durch das Tanzen lernen, wie sie Körperspannung einsetzen und was schon allein das Sich-Aufrichten mit ihrem Selbstwert macht. Nicht zuletzt kommen sie drauf, dass man beim Tanzen flirten kann (lacht).

 

Kommentar

Tanzen Sie und mildern Sie Beschwerden!

Tanzen ist so viel mehr als nur ein wundervolles Hobby! Der Spaß an der Bewegung und am Rhythmus löst eine Vielzahl an positiven Prozessen im Gehirn und im gesamten Körper aus. Das beugt auch Erkrankungen wie Demenz vor und kann viele Beschwerden mildern. Als begeisterter Tänzer kann ich all unseren Versicherten raten zu tanzen! Die innere Balance, eine bessere Stressresistenz und die Lebensqualität im Allgemeinen können sich durch eine schwungvollere Alltagsgestaltung erheblich verbessern: Lasst uns tanzen!

Andreas Huss, MBA, ist Obmann der ÖGK.

 

Sind alle Menschen fürs Tanzen geeignet?

Schäfer-Elmayer: Das Tanzen ist sogar ein Grundbedürfnis. Kinder bewegen sich sofort zu Musik.

Danzer-Fromm: Es können definitiv alle tanzen! Vielleicht mag nicht für alle das System des Paartanzes das Richtige sein. Umso besser, dass es viele Tanzrichtungen gibt, einzeln, zu zweit, in der Gruppe, zu unterschiedlichen Musikformen, auf dem Parkett, auf der Bühne oder für sich im stillen Kämmerlein. Ich rate allen: einfach einmal ausprobieren!

Warum ist „Dancing Stars“ so erfolgreich?

Schäfer-Elmayer: Weil wir noch immer dem Gesellschaftstanz stark verbunden sind. Ich habe in der Schweiz, in Deutschland und in Südafrika gelebt, weiß, wie Bälle in Tokio, Mailand oder München gefeiert werden – kein Vergleich zu Wien. Unsere Balltradition ist weltweit einzigartig, allein in Wien gibt es 450 Bälle. Wobei sich der Ball leider auch hier in eine andere Richtung und weg vom Eigentlichen bewegt: mit Shows, Mitternachtseinlage und Tombola wird er immer mehr zum Entertainment. Dass man bei einem Ball andere kennenlernt und mit Menschen tanzt, die man davor nicht kannte, kommt kaum noch vor.

Paartanz integriert auch Etikette und gutes Benehmen. Welchen Stellenwert hat das heute?

Schäfer-Elmayer: Das zu erlernen ist oft mit ein Grund, warum Menschen zu uns kommen. Unsere Etikette-Essen sind immer ausgebucht, außerdem können Jugendliche einen Etikette-Test ablegen.

 

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Mit mehr Freude durch das Leben tanzen

Das weise Motto „Wir tanzen durch das Leben“ beschreibt eine Lebensweise, die von Leichtigkeit, Freude und Flexibilität geprägt ist. In Zeiten großer Umbrüche und Herausforderungen, sollten wir uns dieses Motto verstärkt bewusstmachen. Wie beim Tanzen erfordert auch das Leben die Fähigkeit, sich an verschiedene Rhythmen und Veränderungen anzupassen. Diese Flexibilität hilft, Herausforderungen mit Gelassenheit zu meistern. Tanzen bringt Freude und Spaß – das sollten wir auf das Leben übertragen.

Mag. Bettina Wucherer ist Vorsitzende der Hauptversammlung der ÖGK.

 

Möchten Sie jeweils eine Lieblingsanekdote zum Thema Tanzen erzählen?

Danzer-Fromm: Da gibt es viele, an eine denke ich besonders gerne zurück. Es war mein erster Start beim Vienna Dance Concourse im Wiener Rathaus, ich habe mich wahnsinnig auf das Tanzen gefreut. Es kam der letzte Tanz, ein Quickstep, und wir huschen über die Fläche, sind am Ende noch mitten in einem Sprung, und plötzlich haut’s mich dort im schönen Kleid vor allen auf. Ich war aber so von der Emotion erfüllt, dass ich noch am Boden sitzend mein Compliment (Verbeugung am Ende, Anm.) gemacht habe, bevor mir mein Tanzpartner lachend auf die Füße half. Wir haben Standing Ovations bekommen, und der Fehler selbst hat die Wertung nicht beeinflusst. Die Freude am Tanzen und die Ausstrahlung zählten mehr als ein Fehler am Ende. Letztlich habe ich durch das Tanzen gelernt, dass es nicht auf den Fehler ankommt, sondern wie ich damit umgehe und auf die innere Haltung.

Schäfer-Elmayer: Meine Lieblingsgeschichte ist eine ganz unglaubliche. Als ich nach Wien zurückgekommen bin und an der Rezeption der Tanzschule gesessen bin, kommt eines Tages eine Japanerin herein und möchte sich für einen Erwachsenen-Tanzkurs einschreiben. Ich habe ihr gesagt, dass das ohne Partner leider nicht geht. In dem Moment ist mein Vater bei der Tür hereingekommen – und er hat ihr einen Tanzlehrer als Tanzpartner „vermacht“. Später stellte sich heraus, dass ihr Arzt ihr gesagt hat, sie hätte nicht mehr lange zu leben und sie soll noch etwas machen, das sie unbedingt immer machen wollte. Sie ist heute Tänzerin. Wer weiß, was das Tanzen damals bewirkt hat, denn das ist mehr als 20 Jahre her!

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Stressabbau, Fitness und Spaß haben

Insgesamt ist Tanzen eine ganzheitliche Aktivität, die sowohl die körperliche als auch die geistige Gesundheit fördert. Es ist eine wunderbare Möglichkeit, sich fit zu halten, Stress abzubauen und gleichzeitig Spaß zu haben. Egal, ob man ein erfahrener Tänzer oder ein Anfänger ist, die Freude am Tanzen kann in jedem Lebensalter entdeckt werden. Lasst uns also die Musik genießen und die positiven Effekte des Tanzens in unser Leben integrieren!

KommR. Matthias Krenn ist Vorsitzender der Hauptversammlung der ÖGK.


TEXT Viktória Kery-Erdélyi

Fotos: Vanessa Hartmann-Gnong, Martin Biller / ÖGK, GPA
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